Norwegian Star: Freestyle Cruising im Hohen Norden


Die „Norwegian Star“ der Norwegian Cruise Line (NCL) kreuzt im Sommer im hohen Norden Europas und ermöglicht einem breiten internationalen Publikum spannende Naturerlebnisse jenseits des Polarkreises.

An Deck lässt das Wetter keinen Zweifel daran, dass wir im hohen Norden angekommen sind. Die Temperatur klettert nicht über die 15 Grad-Marke, dafür hängt eine dicke graue Wolkendecke über Reykjavik, aus der es von Zeit zu Zeit nieselt. Die Band auf dem Pooldeck versucht sich tapfer an Latino-Rhythmen, aber der Pool ist verwaist, und nach karibischen Tänzen ist niemandem zumute. Stattdessen mummeln sich die Passagiere in dicke Pullover und Jacken, während sie ihr Zuhause für die nächsten zwölf Tage erkunden. 2.412 Passagiere unternehmen die anstehende Reise rund um Island, nach Spitzbergen und zum Nordkap, davon sind 840 US-Amerikaner, 417 Spanier und 134 Deutsche – ein bunter Passagier-Mix.

Innenkabine 8657 entpuppt sich als kompakt, aber das hat uns vor 12 Jahren auch schon die „Norwegian Jade“, eines der Schwesterschiffe der „Norwegian Star“, gelehrt. Zwischen dem Doppel- und dem Stockbett gibt es keine Lücke, es ist also eher ein Dreifach- und ein Hochbett. Das Kunstwerk ist eigenwillig, Abstellflächen und Stauraum für vier Personen begrenzt. Auch Steckdosen (zumal europäische) sind Mangelware, auch dies ein altbekanntes Problem auf Kreuzfahrtschiffen, die schon das eine oder andere Dienstjahr hinter sich haben.
Auch andere Dinge ändern sich scheinbar nur langsam. Dass die „Norwegian Star“ ein amerikanisches Schiff ist, merkt man z. B. nicht nur daran, dass das halbe Deck 6 aus einem Kasino und einer Kunstgalerie besteht, sondern auch daran, dass die öffentlichen Räume an Bord arktisch frisch klimatisiert sind. Das mag auf einer Karibik-Kreuzfahrt einen angenehmen Effekt haben, trägt aber nicht gerade zum Wohlbefinden bei, wenn es an Deck und an Land, so wie hier in Island, ungefähr genauso kalt ist. Da kann man den warmen Pullover, den man eigentlich nur für die Landgänge mitgenommen hatte, an Bord gleich anbehalten.

Als die „Norwegian Star“ am Abend ausläuft, hat sich das Wetter nicht wirklich gebessert. Die Silhouette von Reykjavik lassen wir an Backbord im Halbdunkel der (Fast-)Mitternachtssonne liegen, während sich von den Bergen zu Steuerbord schon wieder die nächsten Regenwolken nähern. Also lieber wieder rein ins (leidlich) Warme. Dort ermöglicht die „Freestyle Cruising“-Philosophie der Reederei, dass man abends nicht nur zwischen fünf verschiedenen zuzahlungsfreien sowie sechs weiteren zuzahlungspflichten Restaurants wählen kann, sondern im Rahmen der Öffnungszeiten auch noch kommen und gehen, wann man will. Ein unschätzbarer Vorteil gegenüber der Konkurrenz, wo die Essenszeit auf die Minute genau festgelegt ist und die Türen zum Restaurant kurz danach auch noch geschlossen werden. Unsere Wahl am ersten Abend der Reise fällt auf das Aqua Restaurant mittschiffs auf Deck 6. Es ist das kleinere der beiden großen Hauptrestaurants, das Ambiente aber trotz voller Auslastung angenehm ruhig.

Wellblechhäuser, Wolken und ein Wal

In der Nacht beginnt die „Norwegian Star“, Island im Uhrzeigersinn zu umrunden. Erster Stopp ist am nächsten Morgen der kleine Hafen Ísafjörður im äußersten Nordwesten der Insel. Ísafjörður stellt sich als ein sehenswerter Flecken Erde heraus, an dem man nicht zuletzt gut wandern kann. Das betrifft den (zugegeben recht kleinen) Ort selber, aber auch das Fjordufer und nicht zuletzt die 700 m hohe Felswand Eyrarfjall, die Ísafjörður praktisch von der Außenwelt abschirmt. An ihr führen ebenfalls Wanderwege verschiedener Schwierigkeitsgrade entlang. Ansonsten ist Ísafjörður noch immer stark von der Fischerei geprägt – seine Lage als nordwestlichster Außenposten Islands prädestiniert den Ort dazu, auch wenn die Bedeutung der Fischindustrie zugunsten anderer Handelszweige abgenommen hat. Das Tender-Procedere der „Norwegian Star“ ist übrigens so perfekt organisiert, dass man zum Mittagessen an Bord zurückkehren und anschließend mühelos noch ein zweites Mal an Land gehen bzw. fahren kann.

Das letzte Tenderboot geht um 16 Uhr, und eine knappe Stunde später setzt sich die „Norwegian Star“ wieder in Bewegung – aus dem Fjord hinaus und weiter in östlicher Richtung entlang der isländischen Küste, fast genau auf dem Polarkreis entlang. Die Wolken hängen tief am frühen Abend, sehr tief. Sie hüllen Berge und Inseln ein und wabern teilweise direkt über den Wellen. Oder ist es Nebel? Die Szenerie ist herrlich mystisch – kein Foto kann die Stimmung einfangen, keine Worte den Anblick beschreiben. Für diese Momente hat man sich Island und nicht Mallorca, Rhodos oder Antalya als Sommerreiseziel ausgesucht.

Nach dem Abendessen (diesmal im Versailles Restaurant) ist es noch eine Stunde bis zur Show um 21 Uhr. Zeit, die man sich mit einem Verdauungsspaziergang an Deck, einem Tee (na gut, und einem Stück Kuchen) im Büffet-Restaurant oder einem Bummel durchs Schiff vertreibt. In einem dieser Momente passiert es. „There’s a jumping whale on starboard” kommt unvermittelt die Durchsage über die öffentlichen Lautsprecher. Wer in der Nähe der Steuerbord-Reling ist, begibt sich auf kürzestem Weg dorthin, und auch wir haben Glück: Wir können den Wal nicht nur bei einigen seiner majestätischen Sprünge beobachten, sondern diese sogar mit der Kamera festhalten. Wir identifizieren ihn als Buckelwal, von denen es in diesen Gewässern im Sommer viele gibt. Ein weiterer magischer Moment, dabei sind wir kaum mehr als 24 Stunden an Bord.

Spaziergänge mit und ohne Katze

Am nächsten Morgen liegt die „Norwegian Star“ beim Aufstehen im Hafen von Akureyri, Islands „Hauptstadt des Nordens“. Akureyri entpuppt sich als weitläufiger als zunächst angenommen. Der Stadtplan ist reißbrettartig entworfen in streng parallel und quer verlaufende Straßen aufgeteilt, nur am Hafen, wo das Gelände zum Wasser hin steil abfällt, gibt es malerische gewundene Gassen. Ein Kleinod ist auch der schöne botanische Garten einige Straßen hinter der „Akureyrakirkja“, deren moderne Architektur (das Gotteshaus stammt aus dem Jahr 1940) sich nur mit Mühe in die Silhouette der Stadt einfügt. Im Stadtpark verfolgt uns außerdem eine streunende Katze, die loszuwerden gar nicht so einfach ist.

Ein zweiter Ausflug an Land führt uns das Flüsschen Glerá entlang, welches durch eine Landschaft fließt, die wie eine Nachbildung des wilden Landesinneren Islands im Miniaturformat wirkt. Mitsamt Wasserfällen und Stromschnellen windet sich der Fluss durch die baumbestandenen Felsufer zu beiden Seiten. Die Glerá ist mitunter so wild, dass man hier zeitweise ein Wasserkraftwerk betrieben hat, dessen Überreste noch immer am Ufer zu sehen sind.

Als unser Schiff am Abend wieder abgelegt hat, entfaltet sich unter Deck das musikalische Programm. In der „Proof“ Whiskey Bar wird der „Karaoke Superstar“ gesucht, während in der Bliss Lounge, die zu späterer Stunde zur Diskothek mutiert, zu „Hot Stuff“ und anderen Disco-Hits getanzt wird. Schwer haben es an Bord dagegen diejenigen, die einfach nur in Ruhe Karten oder Gesellschaftsspiele spielen wollen. In der Bibliothek herrscht Ruhe, um die Lesenden nicht zu stören; ins Internet Café wiederum dringt die Musik aus dem Atrium ein Deck tiefer, und in den Bars sind naturgemäß die Tische zu klein, um dort mehr als zwei Cocktailgläser abzustellen. Natürlich genießen die Spieler bei den Reedereien keine Priorität, weil sie beim Spielen keinen Umsatz generieren. Dass sie in ihrer Not das leere Büffetrestaurant zum Spielzimmer umfunktionieren, während dieses um sie herum bereits eifrig geputzt und geschrubbt wird, kann jedoch auch nicht Sinn der Sache sein.

Islands Osten

Am vierten Tag der Reise nimmt die „Norwegian Star“ Kurs auf Djupivogur im Osten der Insel. Das Wetter ist zum Vergessen – dicke graue Wolken, gerade mal acht Grad plus (Luft und Wasser gleichermaßen) und ein beharrlicher Nieselregen, der einem schon morgens den ganzen Tag verleiden kann – was man in Island so Sommer nennt.

Für die meisten Passagiere dient das kleine Djupivogur als Ausgangspunkt für Busausflüge zu den spektakulären Gletschern, Wasserfällen und heißen Quellen im Osten Islands, doch wer passendes Schuhwerk an den Füßen hat, kann in der unmittelbaren Umgebung des Ortes ebenfalls herrlich auf eigene Faust Wandertouren unternehmen (diesmal ohne Katze). Moosbewachsene Ebenen wechseln sich hier ab mit felsigen Anhöhen, die unvermittelt an einer Schlucht enden oder hinunter zu mit Seetang überwucherten Kiesstränden führen. Dem Baedeker ist Djupivogur immerhin fünf Zeilen wert; der Reiseführer rühmt den Ort als „ein bezauberndes Fischerdorf mit bunten Häusern und einem kleinen Yachthafen“. Wobei die Yachten genauso gut auch Fischerboote oder kleine Inselfähren sein können, so genau sieht man ihnen das oft nicht an. Vielleicht sind sie auch alles drei in einem. Seevögel kreisen in Scharen über der Bucht, und im Meer vor der Küste sollen sich Robben und Delfine tummeln. So stellt man sich Island vor.

Am Abend finden wir uns im Theater ein, wo am heutigen Abend Benjamin Moss auftritt. Moss hat es 2022 in die britische Version der Sing-Show „The Voice“ geschafft, tritt aber schon auf Kreuzfahrtschiffen auf, seit er 17 ist. Seine Stimme und seine Interpretationen von Ed Sheeran-, Elton John-, und Don MacLean-Songs sind toll, aktuell leidet er allerdings an dem Umstand, dass „eine große deutsche Fluglinie“ seine geliebte Gitarre auf dem Weg von London nach Reykjavik verbummelt hat. Ganz Entertainer, berichtet er davon jedoch mit viel Humor und macht das fehlende Instrument anschließend mit umso gefühlvolleren Darbietungen am Klavier bzw. mit Playback wett.

Spitzbergen

Zwei volle Seetage später erreicht die „Norwegian Star“ am 7. Tag ihrer Reise mit Longyearbyen auf Spitzbergen den nördlichsten und für viele Passagiere gleichzeitig auch den Höhepunkt ihrer Reise. Viele Gäste sind früh aufgestanden, um sich die Einfahrt in den Fjord und das Anlegen in der alten Bergarbeitersiedlung anzusehen. Doch wer blauen arktischen Himmel, Eisschollen und eine Eisbärmutter mit Babys im Schlepptau erwartet hat, wird enttäuscht. Tiefhängende Wolken hüllen die Küste ein. Das Ufer ist ein diffuser braun-grüner Streifen ohne Anzeichen von Zivilisation oder Tierleben, und Eisschollen gibt es schon gar nicht. Und auch Longyearbyen selber ist nicht wirklich eine Augenweide. Überreste von Bergbau-Apparaturen bilden eine wilde Mischung mit Lagerhallen aus Wellblech, Fertig-Holzhäusern auf Stelzen und Schneemobilen aller Art, von denen man nicht so recht weiß, ob sie im Kies neben der Schotterpiste am Hafen nur geparkt oder für immer zum Verrosten liegengelassen worden sind.

Auch ein Bummel durch Longyearbyen selber ist schnell vorüber, denn der Ort besteht genaugenommen nur aus zwei parallelen Straßen, zwischen denen ein paar Outdoor-Geschäfte und der örtliche Supermarkt liegen. Da die „Norwegian Star“ heute jedoch bis Mitternacht in Longyearbyen liegt, reicht die Zeit sogar noch für einen dritten und vierten Landgang an ein- und demselben Tag. Nur aus dem erhofften Bootsausflug in einen der umliegenden Fjorde wird es nichts – die entsprechenden Schiffe sind entweder lange im Voraus ausgebucht oder für den heutigen Tag gleich direkt von NCL selber in Beschlag genommen worden.

Die „Norwegian Star“

Für besagte amerikanische Reederei ist das Schiff übrigens ursprünglich gar nicht geplant gewesen. Als es im Juni 2000 auf der Papenburger Meyer Werft auf Kiel gelegt wurde, sollte es noch für die damalige NCL-Mutter Star Cruises in Fahrt kommen und Kasino-Kreuzfahrten in Fernost unternehmen. Für diesen Zweck war die „Superstar Libra“, so der geplante Name, allerdings etwas überdimensioniert, also wechselte sie zusammen mit dem ein Jahr jüngeren Schwesterschiff „Superstar Scorpio“ (der heutigen „Norwegian Dawn“) noch vor seiner Indienststellung an die amerikanische Tochter, bei der sie seitdem auch geblieben ist. Allerdings hat sie seitdem diverse Umbauten und Renovierungen erfahren, die das Schiff nicht alle schöner, praktischer oder besser gemacht haben. Das helle Atrium mit seinen bunten Blumen und Pflanzen? Ersetzt durch dunkel getönte Scheiben und Sitzbänke. Der farbenfrohe Fußboden im Garden Café? Geändert in langweiliges hellbraunes Click-Vinyl. Das Spezialrestaurant „Le Bistro“ mit seinen roten Gardinen und Stühlen? Umgewandelt in ein Décor in den tristen Farben Schwarz, Grau, braun und weiß. Aus der fröhlich bunten Spinnaker Lounge ist die düstere Bliss Lounge geworden, aus dem urigen Biergarten die nichtssagende Sky High Bar und aus der Kids Splash Zone der etwas spartanische „Adult Only“-Bereich Spice H2O.

Auch die beiden Wasserrutschen auf dem Sonnendeck sind verschwunden. In der schönen Observation Lounge auf Deck 13 vorne sind bei einem Umbau Suiten eingezogen, und ein Kino gibt es an Bord auch nicht mehr – es wurde durch vier kleine Konferenzräume ersetzt. Auch von den Shops an Bord sind wir enttäuscht. Keine „Power-Shopper“ als solche, hätten wir jedoch gerne ein paar Dollars für ein schönes Souvenir mit Bezug zum Schiff oder zur Reederei ausgegeben. Fündig geworden sind wir jedoch nicht. Dafür erfährt man bei einer Fragen- und Antwort-Runde mit dem Kapitän im Theater, dass die „Norwegian Star“ bei ihren zurückliegenden Renovierungen immer mehr an den Einsatz in polaren Gewässern angepasst worden ist. Kapitän der „Norwegian Star“ ist übrigens der von der italienischen Insel Procida stammende Luigi Gentile. Er hat das Kommando über die „Star“, seit diese ihre Corona-Zwangspause 2020/21 in Genua und Neapel verbringen musste – eine Zeit, in der er das Schiff in- und auswendig kennengelernt hat, wie er erzählt.

Das Nordkap

Auf drei Häfen in Island und das Zwischenspiel Spitzbergen folgen nach einem weiteren Seetag drei Häfen in Nordnorwegen. Den Anfang macht das kleine Honningsvåg, das traditionell als Ausgangspunkt für Bus-Exkursionen zum nahegelegenen Nordkap dient. Da wir dieses jedoch bereits von einem vorangegangenen Besuch kennen, machen wir auch hier stattdessen den Ort selber unsicher. Gleich am Vormittag nehmen wir uns den Aufstieg des Storfjellet vor. Der 300 m hohe Hausberg von Honningsvåg ist über die etwas missverständlich so bezeichnete „Nordkaptrappa“ erreichbar, eine Steintreppe ohne Geländer, die einen nach einer Weile ganz schön außer Puste bringt. Doch der Aufwand lohnt sich – die Aussicht vom Plateau des Berges auf den Ort und den umliegenden Fjord ist ein Traum. Ganz zu schweigen von der Stille. Da die meisten Kreuzfahrtpassagiere am Vormittag auf dem Weg zum Nordkap sind und die Einheimischen Besseres zu tun haben, hat man Fjord und Fjell hier oben fast ganz für sich allein – und kann für einen Moment eins werden mit der kargen Schönheit der norwegischen Natur.

Am Nachmittag bummeln wir durch Honningsvåg selber und lernen dabei ein Fischerstädtchen wie aus dem Bilderbuch kennen. Das Nordkap bekommen wir aber auch ganz ohne Busausflug noch zu Gesicht. Nach dem abendlichen Auslaufen umrundet die „Norwegian Star“ die Nordspitze Europas nicht einfach nur, sondern dreht um 19 Uhr eine Stunde lang Kreise vor dem markanten Plateaufelsen mit dem stählernen Globus an seiner Kante. So können alle Passagiere noch einmal Fotos vom Kap machen, das um diese Uhrzeit bereits ins schummrige Licht der Mitternachtssonne getaucht ist.

Anschließend verbringen wir vier volle Stunden bei Live-Musik in der Bliss Lounge. Dort genießen wir unseren Urlaub auf See bei fabelhaften Country-, Cabaret- und Rock-Klängen durch das bordeigene Sänger-Ensemble bzw. die fabelhafte Bord-Band „The Excell“. An letzterer haben wir mittlerweile so großen Gefallen gefunden, dass wir uns dabei ertappen, wie wir im Tagesprogramm danach Ausschau halten, wann und wo an Bord sie als nächstes auftreten wird, um unseren eigenen Tagesablauf danach auszurichten.

Nordnorwegen

An Tag 10 der Reise liegt die „Norwegian Star“ am Morgen im Altafjord vor Anker, Eingangstor zur Stadt Alta, die für ihre moderne Nordlichtkathedrale berühmt ist. Wie sich jedoch herausstellt, ist die 2013 eingeweihte Nordlichtkathedrale weit und breit die einzige Attraktion. Der monumentale Betonbau fügt sich architektonisch ungefähr genauso gut in die Landschaft wie die riesige „Norwegian Star“ in das Panorama eines kleinen norwegischen Fischerdorfes, aber von Gebäuden wie diesen abgesehen ist die Region Finnmark eben nicht gerade reich an Sehenswürdigkeiten.

Beim inzwischen gewohnheitsmäßigen zweiten Landgang am Tag nach dem Mittagessen bleiben wir in der unmittelbaren Umgebung des Anlegers und genießen vom Ufer aus das Fjordpanorama. Dabei können wir unser Glück kaum fassen, dass aus dem „partly sunny“ noch ein komplettes „sunny“ geworden ist. So macht Nordnorwegen Spaß. Wie trist es hier dagegen im langen, kalten und dunklen Winter zugehen muss, wollen wir uns lieber nicht vorstellen.

Als die „Norwegian Star“ am nächsten Morgen in Hammerfest anlegt, hat uns das schlechte Wetter auch schon wieder. Was im Bordprogramm mit „partly cloudy“ noch sehr wohlwollend umschrieben ist, entlockt dem General Manager des Schiffes allerdings Begeisterungsstürme. Die zurückliegende Reise sei nämlich diejenige mit dem besten Wetter der gesamten Island- und Arktis-Saison gewesen, freut er sich. Immerhin habe es kaum geregnet in den zurückliegenden elf Tagen. So unterschiedlich können die Wahrnehmungen sein, während draußen der Morgennebel über dem Fjord hängt und die vorhergesagte Tages-Höchsttemperatur von 11 Grad in der Heimat nur noch Mitleid erweckt.

Die „nördlichste Stadt der Welt“ (Eigenwerbung) erstreckt sich halbkreisförmig am Ufer einer kleinen Bucht, der Landgang folgt also fast zwangsläufig der Geographie und endet an der Lutherischen Kirche im Süden der Stadt. Austernfischer und Möwen stolzieren hier am Ufer entlang, von dem aus man einen schönen Blick auf die „Norwegian Star“ auf der anderen Seite der Bucht hat. „Einmal zur Kirche und zurück“ lautet auch das Motto der meisten anderen Passagiere, wobei die Asiaten unter ihnen zwischendurch vor den wenigen Sehenswürdigkeiten posieren und einige andere noch einen Abstecher zum Meridian-Monument unternehmen. Dieses bildet den nördlichsten Punkt des Struve-Bogens, mit dessen Hilfe im 19. Jahrhundert die Abflachung der Erde an den Polkappen nachgewiesen werden konnte. Einer Fahrplanänderung ist es leider geschuldet, dass die „Norwegian Star“ heute bereits um 14 Uhr statt wie ursprünglich geplant um 20 Uhr ablegt, weshalb ein zweiter Landgang nach dem Mittagessen ausfällt. Ein letztes Mal auf dieser Reise macht unser Schiff die Leinen los und nimmt Kurs auf Tromsö, wo die Kreuzfahrt bereits am Abend endet. Ohne viel Aufhebens legt die „Norwegian Star“ gegen 22 Uhr dort an. Da die Ausschiffung aber erst morgen früh stattfindet, darf noch ein letztes Mal an Bord geschlemmt, getanzt und gefeiert werden.

Abschied

Unser Abschied von der „Norwegian Star“ fällt versöhnlich aus. Haben sich unsere Erwartungen an Schiff und Reise erfüllt? Sicherlich. Sind sie übertroffen worden? Nicht wirklich. Legt man unsere Erlebnisse an Bord des Schwesterschiffes „Norwegian Jade“ aus dem Jahr 2011 zugrunde, haben die diversen Umbauten die ‚Star‘ vielleicht profitabler, nicht aber unbedingt attraktiver gemacht. Gerne hätten wir das Schiff in seinem Ursprungszustand erlebt, aber das geht natürlich nicht. So bleibt der Eindruck einer „Verschlimmbesserung“, bei der wichtige Räumlichkeiten an Bord dem Profitstreben geopfert wurden. Auch bei der „Software“ ist im Jahr 2023 Luft nach oben. Die deutschsprachigen Gästebetreuer, von denen das „Herzlich willkommen“-Faltblatt so vollmundig spricht, haben wir z. B. die ganze Reise über nicht gesehen oder kennengelernt. Während der Hälfte der Reisen hatten wir keinen Sattelitenempfang, das (nicht gelieferte) deutsche Tagesprogramm war ein ständiges Ärgernis und das Unterhaltungs- und Animationsprogramm an Bord insgesamt schwach. Auch haben wir den Schokobrunnen und die Crêpe-Station vermisst, die wir auf der „Norwegian Jade“ in kurzer Zeit liebgewonnen hatten. Eingespart? Vermutlich.

Doch einiges andere war dafür schlichtweg fantastisch – die grandiose Bord-Band „The Excell“, das großartige Essen in den Hauptrestaurants, die schönen Shows im Theater, die durchweg freundliche und hilfsbereite Crew. Und nicht zuletzt natürlich, dass man entsprechend der „Freestyle“-Philosophie der Reederei nie an feste Zeiten an Bord gebunden war. Würden wir also wieder eine Kreuzfahrt mit NCL unternehmen? Natürlich. Dann vielleicht aber wieder in einer Region, wo die Temperaturen nicht nur die 10-, sondern auch die 20- oder sogar die 30-Grad-Marke übersteigen. Vielleicht geht es dann auch an Bord weniger unterkühlt zu.

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Kai Ortel

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