Gemini durch die griechische Inselwelt auf türkische Art


Seit 2020 kreuzt die Gemini unter der Flagge von Miray Cruises und unternimmt Kurzkreuzfahrten in der Ägäis. Sie kombiniert dabei türkische Elemente mit den Vorzügen, die nur ein kleines Schiff in der griechischen Inselwelt bieten kann.

Das Schiff selber ist in dem Fahrtgebiet kein Neuling. Ab 2016 fuhr es bereits für die griechische Reederei Celestyal Cruises in der Ägäis, ab 2018 dann für den türkischen Reiseveranstalter Etstur. Die Schiffsmanagementfirma Miray International war zu diesem Zeitpunkt bereits im Hintergrund am Betrieb beteiligt, 2020 übernahm sie das Geschäft komplett und benannte es in Miray Cruises um.

Außer in Kuşadası, das 2024 Çeşme als türkischen Start- und Zielhafen der Gemini abgelöst hat, kann man nun auch in Piräus an Bord gehen – ein großer Vorteil für alle internationalen Gäste, die Miray Cruises mit seinem Produkt genauso ansprechen möchte wie die türkische Kernklientel. Zusammen mit mir sind es jedoch noch vorwiegend Türken und Russen, die Anfang April für die viertätige Kurzkreuzfahrt „Türkisfarbene Oasen“ in Piräus an Bord gehen.

Meine Kabine an Bord des 1992 als Crown Jewel gebauten Schiffes ist Außenkabine 4327. Sie ist an Steuerbord gelegen, etwa mittschiffs, und verfügt über Schränke und einen Schreibtisch aus Holz, was ihr ein klassisch-maritimes Ambiente verleiht. Insgesamt verfügt die Gemini über 400 Kabinen, ist also nach heutigen Maßstäben nicht einmal mehr mittelgroß. Der überwiegende Teil sind Standard-Innen- und -Außenkabinen, hier verrät das Schiff noch sein über 30 Jahre zurückliegendes Baujahr. Über einen eigenen Balkon verfügen nur die zehn Suiten auf Deck 7.

Ein internationales Schiff

Kapitän der Gemini ist der Grieche Charilaos Petridis, der zuvor in derselben Position auf der Vasco Da Gama von Nicko Cruises tätig gewesen ist. Hoteldirektorin ist die Französin Helen Roger (ehemals Renaissance) und Chief Housekeeperin eine resolute Dame aus Guatemala. Der Guest Service Manager und viele andere Service-Kräfte stammen dagegen aus der Türkei und sind z. T. schon seit einigen Jahren bei Miray Cruises bzw. an Bord der Gemini angestellt. Auch die meisten der aktuell 700 Passagiere an Bord sind Türken – man feiert gerade „Bayram“, das islamische Zuckerfest, was sich traditionell auch auf die Buchungslage der Gemini Anfang April auswirkt. Einige Passagiere kommen aber auch aus Lateinamerika und Indien, weshalb es neben englischen und türkischen auch spanisch-sprachige Durchsagen an Bord gibt.

Auf ihre am 4. April startende Kurzreise bricht die Gemini in Piräus mit drei Stunden Verspätung auf. Der fantastischen Sicht auf das Geschehen im Hafen tut dies jedoch keinen Abbruch, denn achtern sind die Sonnendecks des Schiffes terrassenartig abgestuft, so dass man dort wie in einem Amphitheater eine herrliche Aussicht auf das Kielwasser bzw. das Treiben rings um das Schiff im Hafen hat.

Die Crew beginnt derweil kurz nach dem Auslaufen aus Piräus mit dem Unterhaltungsprogramm. So versammeln sich um 15:45 Uhr zwei bis drei Dutzend Passagiere auf dem Pooldeck, um der Sailaway Party beizuwohnen, die sich als 30minütige Piraten-Tanzshow entpuppt. Das komplette 13köpfige ukrainische Tänzerensemble gibt sich redlich Mühe, gute Stimmung zu verbreiten, die frühlingshaft frische Witterung macht ihm das aber zunächst nicht eben leicht.

Im Selbstbedienungsrestaurant Leda haben die diversen Sorten Kuchen am Nachmittag einen typisch türkischen Einschlag, auch die Büffets im Aegean Restaurant warten mit Salaten, Suppen und anderen Speisen auf, die man so auf anderen Kreuzfahrtschiffen nicht findet. Auch das musikalische Unterhaltungsprogramm, das sich überwiegend in der Eros Lounge abspielt, hat einen unverkennbar türkischen Touch, so dass die Zeit wie im Flug vergeht, ehe das Schiff in den Abendstunden Mykonos erreicht. Auch dies leider noch immer mit einiger Verspätung, so dass es bei der Ankunft der Gemini schon dunkel ist, doch selbst für diesen Fall hat die Reederei vorgesorgt: Um das Nachtleben der Insel auszukosten, liegt das Schiff bis in die frühen Morgenstunden am Kai, bei dieser Reise kommen also auch Partygänger und Nachteulen auf ihre Kosten. Und für einen kleinen Abendbummel durch den kleinen Fischerboot-Hafen direkt neben dem Kreuzfahrtpier reicht die Zeit in Mykonos allemal.

Syros und Tinos

Um 5 Uhr am nächsten Morgen legt die Gemini in Mykonos ab. Eigentlich stünde nun Santorin auf ihrem Kreuzfahrtprogramm, die Insel wird aber wegen der erst kürzlich dort aufgetretenen seismischen Aktivität aktuell aus Sicherheitsgründen nicht angelaufen. Ersatzdestination ist bis auf weiteres die Insel Syros, was den Vorteil hat, dass sie von Mykonos aus nur einen Steinwurf (23 Seemeilen) entfernt liegt.

Der Himmel über Syros ist bei unserer Ankunft allerdings bedeckt, am Morgen sieht es eher nach Regen als nach Frühlingssonne aus. Vom Landgang soll einen das aber nicht abhalten, denn Ermoupoli, der Hauptort der Insel, ist – obwohl Verwaltungssitz der Kykladen – nicht so überlaufen wie z. B. Mykonos oder Santorin an geschäftigen Tagen im Sommer. Im Gegenteil – die Altstadt von Syros mit ihren engen Gassen und den sich an einem Berg hinaufwindenden Straßen und Häusern ist so attraktiv, dass es wie ein Wunder erscheint, dass diese Insel nicht von mehr Kreuzfahrtschiffen besucht wird. Hier hat die Gemini auch wegen ihrer Größe einen Vorteil, kann sie doch bequem an einem der Kais im Hafen selber anlegen, was den größeren Kreuzfahrtschiffen verwehrt ist.

Mehrmals täglich wird Syros dafür von den Auto- und Schnellfähren aus Piräus angelaufen, die von hier aus noch nach Tinos weiterfahren. Deren Fahrplan ist so gestaltet, dass man in Syros bequem einen Ausflug nach Tinos unternehmen kann (die Insel ist sogar nur 13 Seemeilen entfernt), dort zwei Stunden Aufenthalt hat und nach der Rückkehr am späten Nachmittag immer noch rechtzeitig zurück auf seinem Kreuzfahrtschiff ist. Und Tinos ist mehr als nur eine kleine Entschädigung für das gestern mehr oder weniger ausgefallene Mykonos. Auch diese Insel ist ein Kleinod und besitzt mit der Wallfahrtsbasilika „Panagia Evangelistria“ sogar eine Kirche von Weltgeltung, die wegen ihrer Wallfahrtsfunktion auch als das „griechische Lourdes“ bezeichnet wird.

Als die Gemini am Abend pünktlich um 17:30 Uhr in Syros ablegt, strahlt endlich die Sonne über der Ägäis-Insel. Auf dem Sonnendeck verfolgen einige Gäste unter einer als Palme verkleideten Laterne das Auslaufen, vor dem Aegean Restaurant im Atrium hat sich dagegen eine kleine Menschentraube um das Klavier gebildet, wo ein Pianist seinen Auftritt hat. Hier wird laut und fröhlich mitgesungen, das geht auf einem türkischen Schiff immer schnell.

Das Gleiche gilt auch für die Gruppe „Ada“, die später am Abend in der Eros Lounge auftritt. Die Gruppe besteht aus einer Sängerin, einem Gitarristen, einem Geiger und einem Schlagzeuger, wobei auf den Plakaten, die von der Band an Bord aushängen, immer nur Sängerin und Gitarrist abgebildet sind. Die vier performen ihre Songs mit viel Liebe und Leidenschaft und sind auch schon 2019 an Bord gewesen, als ich das erste Mal mit der

Gemini gefahren bin. Die Band ist eindeutig die Seele des Schiffes, jedenfalls nach 22 Uhr, wenn vor allem die türkischen Gäste „ihre“ Musik feiern und die Tanzfläche im Nu füllen, um nach Kräften mitzusingen und zu tanzen. Verpassen sollte man anschließend aber nicht den Mitternachtssnack. Der besteht auf einem türkischen Schiff nicht etwa in Kuchen oder Keksen, sondern in Gece Çorbası, was das deutsche Tagesprogramm mit „Nachtsuppe“ übersetzt. Diese türkische Tradition ist ein kräftiger Eintopf mit Gulasch oder Hackfleisch darin, wobei die genaue Zusammensetzung variiert. Serviert wird er bis Mitternacht im Leda Restaurant, danach ist Schlafenszeit an Bord. Morgen früh wartet schon der nächste Häfen.

Kuşadası und Patmos

Am dritten Tag der Kreuzfahrt läuft die Gemini bereits früh am Morgen das türkische Kuşadası an, wo nicht nur Ein- und Ausschiffungen stattfinden, sondern auch Landausflüge ins nahegelegene Ephesus. Wer dies schon von vorigen Besuchen kennt, lässt sich von dem türkischen Bade- und Touristenort selber verzaubern, was sich in den angenehm temperierten Morgen- und Vormittagsstunden besonders anbietet. Hier kann man zur „Taubeninsel“ Güvercinada schlendern (die über eine Brücke mit dem Ufer verbunden ist), die altehrwürdige Öküz Mehmed Pasha-Festung umrunden oder sogar hinauf ins Wohnviertel der Stadt laufen. Die erhoffte Aussicht auf die Bucht ist dort allerdings von Häusern aller Art verstellt, deren Bewohner besagte Aussicht verständlicherweise zuallererst selber genießen wollen. Und von der riesigen Majestic Princess der amerikanischen Konkurrenz, neben der sich die kleine Gemini wie ein Beiboot ausnimmt. Auch dass das Kuşadası Cruise Terminal eher ein Einkaufszentrum mit (am Ende) einer Tür zum Pier ist, ist eine der Veränderungen, die auch dieser türkische Küstenort mitmachen musste, um gegenüber anderen Häfen wie Izmir und Çeşme konkurrenzfähig zu bleiben. Das ist in den griechischen Häfen, selbst in Piräus und Rhodos, noch anders.

Leider kann die Gemini auch Kuşadası wieder nur mit Verspätung verlassen, was dem ambitionierten Reiseprogramm mit teilweise zwei Häfen pro Tag nicht guttut. Doch das Wetter spielt mit, so dass man die Abfahrt und auch die vierstündige Fahrt nach Patmos auf den weitläufigen Außendecks des Schiffes genießen kann. Eine neuerliche Sailaway-Party gibt es am Nachmittag ebenfalls, auch sie findet wieder auf dem Pooldeck statt. Dort lassen sich übrigens sogar die Panoramafensterscheiben öffnen, wenn man den Fahrtwind über das Schiff wehen lassen will – auch dies ein starker Kontrast zu den großen Schiffen moderner Bauart, wo man auf den oberen Decks aus Sicherheitsgründen nur noch hinter meterhohen Panzerglasscheiben steht. Das gleiche gilt für das Bootsdeck, das auf der Gemini herrlich breit ausfällt, einmal rund um das ganze Schiff verläuft und auf Deck 5 so niedrig liegt, dass man hier ganz nah an den Elementen ist und nicht nur, wie leider so oft heute, an den Rettungsmitteln selber.

Um 17 Uhr hat die Gemini ihre Tenderposition vor der Insel Patmos erreicht und beginnt mit der Ausschiffung der Passagiere in die dafür vom Hafen bereitgestellten Boote. Die Abendsonne taucht Schiff und Insel in ein mildes goldenes Licht, so dass die Passagiere den leider viel zu kurzen Aufenthalt auf Patmos genießen können. Wer schon mehrmals auf der „heiligen Insel“ gewesen ist, wird auch hier immer noch neue Seitenstraßen finden, die es zu erlaufen lohnt, andere Katzen, die sich gefühlt alle zwei Meter als Fotomotiv aufdrängen oder auch Strände und Küstenabschnitte entdecken, die selbst unweit des Hauptortes so menschenleer sind, dass man sich auf einer (mehr oder weniger) einsamen Insel wähnt. Als das letzte Tenderboot zurück zur Gemini geht, ist die Sonne gerade untergegangen – ein perfekter Abschluss für eine kurze, aber intensive Reise.

Fröhlich beschwingt zurück

Im Aegean Restaurant an Bord geht es kurze Zeit später daran, die verbliebenen Getränke-Coupons aufzubrauchen. Diese hat man bei der Einschiffung bekommen, was im ersten Moment merkwürdig anmuten mag, auf den zweiten Blick jedoch sinnvoll erscheint. Damit liegt man genau zwischen Reedereien, auf deren Schiffen man selbst ein Fläschchen Wasser im Restaurant teuer bezahlen muss, und jenen, wo der Gratis-Tischwein in Strömen (bzw. Karaffen) fließt, was weder den Abläufen im Restaurant selber noch dem allgemeinen Bordleben zuträglich ist.

Auch auf der Gemini gibt es am Ende Dinge, die uns gut gefallen haben, und solche, die sich noch verbessern ließen. Was Ersteres betrifft, ist da natürlich zuvorderst die Tatsache, dass Miray Cruises ein Schiff anbieten kann, das mit seinen maximal knapp 1.000 Passagieren wesentlich kleiner ist als die meisten anderen in ihrem Fahrtgebiet. Auf der ehemaligen Crown Jewel, die immerhin eine kurze Zeit lang sogar für die altehrwürdige Cunard Line gefahren ist, läuft also niemand Gefahr, sich zu verlaufen, und dank der kurzen Wege an Bord kommt man schnell von einem Raum zum anderen. Auch das Konzept, zwei Häfen pro Tag anzulaufen und so ein Maximum an Erlebnissen und Eindrücken in kürzester Zeit zu bieten, können andere Reedereien allein aus logistischen Gründen schon nicht anbieten. Die Bordatmosphäre ist zudem herrlich zwanglos. Hier braucht niemand Anzug oder Abendkleid, und auch sprachlich gibt es trotz der Tatsache, dass die Gemini ein durch und durch türkisches Schiff ist, keine Barrieren. Fließend Englisch sprechen alle Crewmitglieder, und wer aufgrund seiner Herkunft oder von zurückliegenden Urlaubsreisen noch türkische Sprachkenntnisse mitbringt, umso besser. Dann ist man schneller Teil der Bordfamilie, als man „Merhaba“ (Hallo) oder „İyi günler“ (Guten Tag) sagen kann. Mit einem Tagespreis ab ca. 115 € ist die Gemini zudem ein vergleichsweise günstiges Schiff, und auch die 5 € Trinkgeld pro Person und Tag, die Miray Cruises seinen Passagieren berechnet, sind ein höchst fairer Satz.

Optimierungsbedarf besteht auf der Gemini allerdings noch in Sachen Bord-Organisation und Kommunikation. Wenn man sich z. B. auf die im Bordprogramm abgedruckten Öffnungszeiten der Restaurants verlässt, wäre es schön, wenn man sich vor Ort auch an diese halten würde. Ansonsten ist die Enttäuschung groß, weil man entweder völlig umsonst viel zu früh aufgestanden ist oder doch um einen schönen Tisch im Restaurant kämpfen muss, weil dieses schon halbvoll ist, wenn es eigentlich erst hätte öffnen sollen. Auch wann und wo es Tenderboot-Tickets gibt oder wann am Ende der Kreuzfahrt die Reisepässe zurückgegeben werden, sollte der Besatzung zumindest eine Borddurchsage wert sein, wenn es schon nicht im gedruckten Programm steht.

Zu später Stunde zieht die Gruppe „Ada“ noch einmal in der Eros Lounge alle Register. Sämtliche Barhocker, Stühle und Sessel sind plötzlich belegt, und im Gang stehen die Leute in Dreier-Reihen, um sich den türkischen Folklore-Abend nicht entgehen zu lassen. Noch einmal darf ausgelassen getanzt, geschunkelt und mitgesungen werden, wobei die Interaktionen zwischen Band und Publikum dem ganzen Auftritt etwas Familiäres verleihen. Fröhlich beschwingt geht es auf der Gemini zu, als diese über Nacht ihrem Zielhafen Piräus entgegenfährt.

Dort übrigens sei den Passagieren, die hier ausschiffen, unbedingt noch ein Ausflug auf die Insel Ägina empfohlen. Das Eiland im Saronischen Golf ist mit der Fähre nur eine Stunde von Piräus entfernt und fügt der Ägäis-Kreuzfahrt mit der Gemini nach Mykonos, Syros, Tinos und Patmos noch eine weitere höchst attraktive griechische Insel hinzu. Ägina ist reich an archäologischen Stätten, aber auch an Sandstränden, die mit ihrem türkisfarbenen Wasser zum Baden einladen. Spätestens hier geht dann auch der Name der Kreuzfahrt, der gleichzeitig Versprechen ist, in Erfüllung.

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Kai Ortel

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